Die Ernährungspolitik rückt zunehmend in den Fokus politischer Debatten. Während die Europäische Union unter anderem wegen ihrer hohen Abhängigkeit von importierten Futtermitteln vor großen Herausforderungen steht, geht Portugal einen neuen Weg. Als eines der ersten Länder setzt es gezielt auf eine pflanzenbetontere Ernährung, um den CO₂-Ausstoß der Landwirtschaft zu senken und die Ernährungssouveränität zu stärken.

Essgewohnheiten werden immer politischer

Die Art und Weise, wie wir essen, ist längst kein privates Thema mehr – sie ist hochpolitisch. Und dass nicht ohne Grund, denn über 80 Prozent der landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen in der EU stammen aus der Viehzucht. Gleichzeitig fordert die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Umstellung auf eine pflanzenbetontere Ernährung.

Die Europäische Union ist stark von Importen proteinreicher Pflanzen wie Sojabohnen abhängig, die zur Tierfutterproduktion genutzt werden. Mehr als 80 Prozent der weltweiten Sojaernten werden in den USA, Brasilien und Argentinien erzeugt und weltweit exportiert. Die Eigenerzeugung an pflanzlichem Eiweiß in der Europäischen Union ist in den letzten Jahren unter 25 Prozent gefallen.

Portugal geht voran: Nationale Strategie für pflanzliche Ernährung

Während viele EU-Staaten noch zögern, wagt die Ernährungspolitik in Portugal einen mutigen Schritt in Richtung einer nachhaltigeren Ernährungspolitik. Portugal ist nach Dänemark nämlich das zweite EU-Land, das eine nationale Strategie zur Förderung pflanzlicher Lebensmittel einführen will.

Im Rahmen eines neuen Energie- und Klimaplans setzt die portugiesische Regierung auf eine ‚kohlenstoffarme Ernährung‘, die den Konsum tierischer Proteine reduziert. Ziel ist es, Emissionen aus dem Agrarsektor zu senken und gleichzeitig eine gesündere Ernährung zu fördern.

Joana Oliveira, Direktorin der Organisation ProVeg Portugal, lobt die Initiative: „Das ist sehr mutig.“ Besonders bemerkenswert ist, dass diese Maßnahme von der konservativ-liberalen ‚Volkspartei‘ (PPD-PSD) vorangetrieben wird. Diese Partei gehört zur Europäischen Volkspartei (EVP), die sich bisher gegen eine Reduzierung des Fleischkonsums aus Nachhaltigkeitsgründen gesperrt hatte.

Ernährungspolitik Portugal: Politischer Widerstand in der EU

Obwohl Portugal mit gutem Beispiel vorangeht, stößt die Idee einer nachhaltigeren Ernährung in der EU auf starken Widerstand. Unter dem Druck von Bauernprotesten und der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament hat die EU-Kommission ihre Pläne für einen EU-weiten Rahmen für nachhaltige Ernährung im vergangenen Jahr auf Eis gelegt.

Eine EU-Beratergruppe empfahl jüngst eine stärkere Produktion von pflanzlichen Proteinen und eine geringere Abhängigkeit von tierischen Produkten – doch die Kommission ignorierte diesen Rat weitgehend.

Der portugiesische EU-Abgeordnete Paulo Do Nascimiento Cabral (EVP) sieht dennoch Potenzial für eine breitere Umsetzung: Brüssel könnte nämlich sich von Lissabons Ansatz inspirieren lassen. Seiner Meinung nach sei dieser in einer „ausgewogenen und integrativen Ernährungspolitik“ verwurzelt.

Nachhaltigkeit als Chance für den Agrarsektor

Für viele Forscher und NGOs liegt der Schlüssel zum Erfolg in der Kommunikation. Es gehe nicht darum, den Fleischsektor als Schuldigen darzustellen, sondern eine Balance zu finden. Portugal betont ausdrücklich, dass es weiterhin Fleisch und Fisch in seiner Esskultur erhalten will, gleichzeitig aber die Produktion und den Konsum von Hülsenfrüchten fördern möchte.

Hülsenfrüchte sind tief in der portugiesischen Küche verwurzelt, doch derzeit deckt das Land nur 14 Prozent seines Bedarfs aus eigener Produktion. Die Regierung sieht in der Förderung dieser Pflanzen eine Chance, die Selbstversorgung zu stärken und die Ernährungssouveränität zu verbessern.

Während NGOs diesen Ansatz begrüßen, äußern portugiesische Landwirte Bedenken. Sie befürchten, dass die Förderung pflanzlicher Proteine ‚zu Lasten‘ der tierischen Landwirtschaft gehen könnte.

Ein möglicher Wendepunkt für Europas Ernährungspolitik?

Portugal geht einen mutigen Schritt in Richtung einer nachhaltigeren Ernährungspolitik, während viele EU-Staaten noch zögern. Die Debatte um eine pflanzenbetonte Ernährung bleibt hochpolitisch, insbesondere angesichts des Widerstands aus der Landwirtschaft und konservativen Kreisen.

Dennoch zeigt sich: Nachhaltige Ernährungskonzepte gewinnen in der EU zunehmend an politischer Bedeutung. Ob weitere Länder dem portugiesischen Beispiel folgen, bleibt abzuwarten – doch der Wandel scheint unausweichlich.


Titelbild @ Ramiro Mendes via unsplash